Schon die Überschrift ist polemisch
Buddhisten aus aller Welt gehören zu den schärfsten Kritikern der üblen Menschenjagden in Burma (Myanmar). Dies entgeht dem Autor des tendenziösen Berichts ebenso wie die tieferen Gründe für den Ausbruch der Gewalt im Vielvölkerstaat nach Jahrzehnten entmündigender Militärdiktatur. Stattdessen: Buddhismus-bashing bereits in der Überschrift – solle der Leser ruhig alle Religionen und alle Fanatiker der Welt über einen Kamm scheren!
Nein! Die wirkliche Frage lautet: Wie kann es passieren, dass traditionell friedliche Burmesen ihre buddhistischen Werte vergessen – Werte, die mit Menschenrechtsverletzungen unvereinbar sind? Mögliche Antworten bietet die Zeitgeschichte: Rohingya-Rebellen, die noch Jahrzehnte nach der Unabhängigkeit Burmas für einen eigenen islamischen Staat zu den Waffen griffen; Generäle, die gezielt ethnische Konflikte am Köcheln hielten und die klügsten Köpfe aus den Klöstern warfen um an der Macht zu bleiben. Und auch dies: Das Misstrauen einer verarmten Mehrheitsbevölkerung gegen prachtvolle Moscheebauten, die mutmaßlich mit ausländischem Geld unklarer Herkunft neu errichtet wurden.
Sicher: Dies alles entschuldigt nichts. Aber man bedenke: Pogrome gegen Minderheiten wie heute in Burma – und sogar noch um einiges schlimmer! – gab es bei uns in in Deutschland vor einigen Jahrzehnten auch. Ist deswegen je ein seriöser Journalist oder Historiker auf die Idee gekommen, deswegen Jesus oder das Christentum dafür verantwortlich zu machen?
Sorry, aber der Artikel „Wenn Buddha hasst“ (was soll dieses Paradoxon in der Überschrift?) ist mitnichten „Konfliktforschung“, sondern ein Werk stereotyper Stimmungsmache. Es passt nicht zum Qualitätsjournalismus, wie ich ihn von der SZ kenne. Wie es besser geht – schonungslos berichten, aber journalistisch neutral bleiben – zeigte etwa jüngst der ARD-“Weltspiegel“ (vgl. http://www.tagesschau.de/ausland/weltspiegelmyanmar100.html).
Mögen Freiheit, Frieden und Menschenrechte in Burma siegen!
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Anmerkung: Am 7.6.2013 erschien in der Süddeutschen Zeitung ein längerer Bericht unter der Überschrift „Wenn Buddha hasst“ Der Untertitel lautete “ Güte, Friede, Weisheit? Nicht in Myanmar. Buddhisten ziehen hier gegen Muslime los. Es gibt viele Tote. Eine Konfliktforschung“. Der Author, Dr. Arne Perras, beschreibt Szenen aus der Stadt Meikthila, wo Tote und niedergebrannte Häuser zu beklagen waren und trifft den Mönch U Wirathu, der als prominentester Vertreter der pan-buddhistischen „969“-Bewegung gilt.
Auf meinen Leserbrief meldete sich der Autor umgehend per E-Mail und fragte, was an seinem Artikel ich tendenziös fände. Ich antwortete; schließlich befürwortete er die Veröffentlichung meiner Stellungnahme. Die Redaktion der Seite Drei meldete sich und gab zu, eine unpassende Überschrift getextet zu haben. Zu einem Abdruck konnte sich die Suddeutsche Zeitung indes nicht durchringen. „Aus der Vielzahl von Zuschriften, die uns täglich erreichen, können wir für die Seite „Forum/Leserbriefe“ nur sehr wenige auswählen…“, schrieb man mir einen Monat später.