55 Jahre Berliner Mauerbau: Das Privileg der Freiheit

Über 40 Jahre lang war Berlin die Frontstadt des „Kalten Krieges“. Jährlich am 13. August an den Bau der Berliner Mauer zu erinnern, den Opfern der deutschen Teilung zu gedenken: Das war selbstverständlich. Doch beim 55, Jahrestag der Abriegelung West-Berlins war es nun in Politk und in den Medien verdächtig ruhig. Vergessen wir die Lektionen dieses wichtigen Stücks Zeitgeschichte?

Ich war in den 1980er Jahren recht oft in Berlin. Einige meiner damaligen Freunde dort mochten es nicht sonderlich, der berüchtigten Mauer allzu nahe zu kommen, welche die Stadt in ihrer Mitte zerschnitt. Dem Bauwerk bin ich nie ausgewichen. Die lange, hässliche und an der Westseite mit Graffitti beschmierte Wand machte mich immer wieder nachdenklich. Als Inhaber eines westdeutschen Passes nutzte ich das Privileg, Menschen im Ostteil der Stadt tageweise besuchen zu können (wenngleich es umständlich war). Gerne ging ich in das Museum „Haus am Checkpoint Charlie“, wo einerseits die bedrückende Geschichte des Mauerbaus gezeigt, aber auch spektakuläre Fluchtgeschichten dokumentiert wurden. Hier konnte man etwas lernen über den großen Wert von Freiheit.

August 1961: Die West-Berliner sind aufgebracht und versammeln sich an der Sektorengrenze

August 1961: Die West-Berliner sind aufgebracht und versammeln sich an der Sektorengrenze

Heute vor 55 Jahren, am 13. August 1961, begann der Bau der “Berliner Mauer”. Die totalitäre Ideologie des DDR-Sozialismus vergraulte weite Teile der Bevölkerung. Die Führung sah sich durch die Flucht vieler Menschen nach West-Berlin und in die Bundesrepublik veranlasst, die eigene Grenze mit dieser drastigen Maßnahme zu sperren.

Im liberal-konservativen Online-Magazin “Tichys Einblick” beklagt Hugo Müller-Vogg, dass sehr viele Linke, westdeutsche Grüne, aber auch jüngere Sozialdemokraten dieses wichtige Datum der deutschen Zeitgeschichte kaum noch beachten würden: „Der linke Teil des politischen Spektrums und die ihm nahestehenden Medien möchten die Erinnerung an diesen Tag am liebsten auslöschen, zumindest noch stärker verblassen lassen.” Die DDR-Vergangenheit und ihr ideologischer Hintergrund: Sie stünden womöglich dem politischen Zukunftsprojekt Rot-Rot-Grün im Wege.

Dabei symbolisiere gerade der 13. August 1961 das, was den Sozialismus der DDR augemacht hätte, unter anderem “den totalitären Anspruch, besser als die Menschen selbst zu wissen, was ihnen gut tut und was nicht”, aber auch “die ideologische Entschlossenheit, Menschen zu ihrem vermeintlichen Glück zu zwingen – notfalls eben mit Mauer, Stacheldraht und Schießbefehl.”

Die Motivation der DDR für den Bau des absurden, trennenden Bauwerkes mitten durch Berlin: Das beschreibt Müller-Vogg korrekt. Aber Mauerbau 1961 und Mauerfall 1989 stehen für mehr, für etwas Allgemeineres:

Soldat bewacht arbeitenden Maurer, Berlin 1961

Berlin 1961: Ein DDR-Soldat bewacht einen Ost-Berliner Maurer bei der Arbeit

a) Wie gravierend es ist, wenn Machthaber politische Ideologien über die Freiheit des Menschen stellen,
b) dass sich das natürliche menschliche Bedürfnis nach Freiheit nicht dauerhaft unterdrücken lässt und
c) dass man Freiheit viel schneller verliert als sie zu bekommen oder zurückzuerlangen.

Die Berliner Mauer wurde 14 Jahre nach Gründung der DDR errichtet; es dauerte doppelt so lang, bis sie wieder eingerissen wurde. Und es hätte viel länger dauern können, wären nicht im Sommer und Herbst 1989 außergewöhnliche Bedingungen zusammengekommen, die binnen kurzer Zeit den Zusammenbruch des DDR-Regimes beschleunigten: Die Umgestaltungspolitik des Michail Gorbatschow in der Sowjetunion, der mutige Abbau des Grenzzaunes Ungarns an der Westgrenze zu Österreich, die Handlungsunfähigkeit der greisen DDR-Führung unter dem kranken Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker, das beherzte Eintreten der DDR-Bürger für Veränderung auf Montagsdemonstrationen in Leipzig und anderswo.

Schneller zerronnen als neu erkämpft: die Freiheit

Daher und unabhängig davon, ob es sich um eine linke, rechte oder religiöse Ideologie handelt: Man darf es Politikern, die Hand an die Freiheit der von ihnen Regierten anlegen wollen nie, wirklich nie gestatten, ihre Ideologien über Bürger- und Menschenrechte zu stellen!

Meine Eltern stammen aus den Niederlanden und mussten als Kinder bzw. Jugendliche mehrere Jahre Hitlerdiktatur in der besetzten Heimat erdulden. Als deutsche Truppen im Mai 1940 einmarschierten und eine kleine Armeeeinheit am strategisch wichtigen Grebbeberg östlich von Utrecht mehrere Tage erbitterten Widerstand leistete, ließ Hitler Rotterdam bombadieren und erpresste damit die Kapitulation des kleinen, bis dato neutralen Landes. Erst Anfang Mai 1945 wurden die Niederlande befreit. Heute ist der Grebbeberg eine nationale Gedenkstätte. Die zentrale Inschrift lautet übersetzt:

„Fünf Tage, und die Freiheit ging veloren,
erst Fünf Jahre später wurde sie wiedergeboren,
so mühsam triumphiert Gerechtigkeit:
Dieser Erkenntnis ist dieser Boden geweiht.“

In diesem Sinne ist es eine Herausforderung, auch heute noch die Erinnerung an den Berliner Mauerbau am Leben zu erhalten. Je weiter sich das Ereignis zeitlich von uns entfernt, desto mehr verblasst das Gedächtnis. Doch die tiefere Botschaft dahinter ist zeitlos: Würdigt und verteidigt die Freiheit!

Wir haben heute das große Privileg, Freiheit, Frieden, Wohlstand und Kultur erleben zu dürfen. Doch der Einfluss von radikalen, totalitären Ideologien kommt näher. Terroranschläge verbreiten Angst und verleiten dazu, mit einschränkenden Maßnahmen und untauglichen politischen Konzepten zu reagieren.

Dabei gilt auch heute das Credo des Perikles: “Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.”
Und man könnte ergänzen: Mut entsteht aus Erfahrung und aus dem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Qualitäten. Wer das Glück hat, frei zu sein, braucht deswegen nicht in überheblichen Stolz verfallen. Aber ein gesundes Selbstvertrauen: Das steht der Freiheit zu!

Es gibt kein Ende der Geschichte und die Zeitläufte verlaufen dynamisch bis zyklisch – nicht linear oder gar statisch. Obwohl das Bedürfnis nach Freiheit im Menschen angelegt ist, ist nicht gesagt, dass sie irgendwann automatisch gewinnt. Gerade weil sie immer wieder aus tiefer, oft bitterer Erfahrung heraus erkämpft werden musste, sollte es zu unseren heutigen Aufgaben gehören, den großen Wert von Freiheit zu ermessen, dies anderen bewusst zu machen und dabei mitzuhelfen um sie zu bewahren.

Menschen auf der Mauer am Brandenburger Tor, 9.11.1989

Das Ende der Unfreiheit: Eine große Menschenmenge feiert in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 am Brandenburger Tor die Grenzöffnung

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