Waffen für den Irak? Eine Idee, wie es gehen könnte

Die Bundesregierung will nun doch Kurden im Nordirak aufrüsten, um die Terrortruppe der ISIS abzuwehren. Das mag kurzfristig opportun sein – doch auf wen zielen die zu liefernden Waffen in zwei Jahren? Für die deutsche Rüstungsindustrie kann es da eigentlich nur eine Konsequenz geben: Waffen mit eingebautem Verschleiss auf den Markt bringen.

Als Ende 1979 die Sowjetunion in Afghanistan einmarschierte um ein pro-kommunistisches Regime zu stützen, reagierten die USA mit umfangreichen Hilfen für die islamischen Rebellen. Viele Waffen, die sie lieferten, wurden Jahre später Waffen der radikal-islamistischen Taliban – und richteten sich ausgerechnet gegen amerikanische Soldaten.

Als es 1980 zwischen dem Irak und dem Iran des verhassten Ajatollah Khomeini zum Krieg kam, rüstete Washington das Regime von Saddam Hussein auf. Auch der irakische Diktator wandte sich alsbald von seinem früheren Verbündeten ab. Saddam ist inzwischen Geschichte – doch einige amerikanische Geschütze und Gewehre töten noch heute im Bürgerkriegsland an Euphrat und Tigris.

Nach dem schnellen Vormarsch der terroristischen ISIS-Armee kam es zuletzt im Irak zu brutalsten Menschenrechtsverletzungen gegen Zivilisten. Zehntausende Yeziden sind auf der Flucht. Gestern wurde bekannt, dass der US-amerikanische Journalist James Foley vor laufender Kamera enthauptet wurde. Und die radikal-islamistischen Kämpfer sind gut ausgerüstet. Vor kurzem erbeuteten Sie ein umfangreiches und modernes Waffenarsenal von der noch im Aufbau befindlichen Armee des Irak.

Bereits in den nächsten Tagen könnte ein Angriff auf irakische Kurden erfolgen, die im Norden des Landes seit Jahren mit Erfolg ein redlich stabiles, autonomes Gebiet verwalten, während im Rest des Landes das Chaos überwiegt. Ihnen kämen Waffenlieferungen im Kampf gegen die verhassten ISIS-Fanatiker sehr gelegen. Doch viele Kurden träumen von der Errichtung eines eigenen, unabhängigen Staates, der auch die historischen Siedlungsgebiete in Nord-Syrien, Teilen von Ost-Anatolien und des westlichen Iran einschließt. Wenn jetzt Waffensysteme geliefert werden, wie von der Bundesregierung gerade beschlossen: Könnten diese nicht langfristig einen Krieg um Kurdistan befeuern?

"Wenn Waffen an irakische Kurden liefern, dann nur so!"

Via Twitter. Danke an Christian Thiels und Robert Rossmann für die Anregung!

Es ist ein wiederkehrendes Dilemma mit diesen Rüstungsspenden: Die Bösewichte wechseln, die Waffen bleiben. Die politischen Gründe für die Lieferungen sind kurzlebiger als das Kampfgerät selber. Je länger es hält, desto größer ist die Gefahr, dass es irgendwann in falsche Hände gelangt.

Deutschland ist weltweit der drittgrößte Waffenexporteur nach den USA und Russland. Gleichzeitig ist die Nation per Grundgesetz dem Frieden verpflichtet. Rüstungsexporte in Spannungsgebiete soll es nur in Aunahmen geben. Was könnte die Konsequenz daraus sein?

Es gibt eine mögliche Antwort. Sie ist gleichermaßen unkonventionell wie simpel.

Die deutsche Industrie steht im Ruf innovativ zu sein. Und sie ist in den letzten Jahren ausgesprochen kreativ geworden  im Hinblick auf die Aufrechterhaltung der Nachfrage: Es kommen immer mehr technische Waren auf den Markt, deren Haltbarkeit begrenzt ist – dank so genannter „Sollbruchstellen“, die auf raffnierte Weise in die Produkte eingebaut werden. Ich erlebte es vor einiger Zeit bei meinem Auto, einem EU-ausländischen Fabrikat: Der in Deutschland gefertigte Schließzylinder machte zwei Tage nach Ablauf der Garantie „Knack“ und verabschiedete sich. Da kann man nur sagen: Chapeau!

Man kann darüber streiten, wie nützlich oder wie schädlich Waffen grundsätzlich sind. Ihr Einsatz sollte nach Möglichkeit auf den Zweck begrenzt bleiben, für den sie gebaut und mobilisiert wurden. Es wird allerhöchste Zeit, dass die deutsche Rüstungsindustrie Waffensysteme entwickelt, die nach einer kalkulierten Zeit von selbst kaputt gehen. Oder anderweitig in ihrer Nutzung begrenzt sind: Sollbruchstellen in Abschussgeräten, personalisierte Gewehre mit Fingerabsdruckscanner, GPS-gesteuerte Selbstzerstörungssysteme, die aktiviert werden, sobald ein Geschütz das vormals von der Politik definierte Einsatzgebiet verlässt – ist dies alles nur Utopie?

Nach meinen Erfahrungen mit deutschen Waschmaschinen, Fönen, Druckerpatronen und Glühbirnen: ganz sicher nicht! Der deutschen Rüstungsindustrie könnte mit der Entwicklung von Waffen auf Zeit ein Innovationssprung gelingen, der gleichzeitig ethischen Bedenken Rechnung trägt.

Heute wäre die Lieferung von effektiven Waffen an nordirakische Kurden, die nach Ablauf von sechs Monaten von selbst unbrauchbar würden, die bestmögliche Antwort auf die Verbrechen der ISIS. Natürlich kann man einwenden: Jedes Produkt, das frühzeitig kaputt geht, ist eine Verschwendung von Rohstoffen. Aber seien wir ehrlich: Besonders ökologisch waren Kriege noch nie.

© Michael den Hoet

'extra3' in Twitter - und eine Antwort darauf

Lange sträubten sich deutsche Politiker gegen Waffen an irakische Kurden. Doch nun bemerkt das NDR-Satiremagazin ‚extra3‘ einen Stimmungsumschwung (Quelle: Twitter)

Statement Marta Salazar über deutsche Waffenlieferungen in den Nord-Irak. Via Twitter

Waffenhilfe für kurdische Peschmerga-
Kämpfer: Ist es so besser? (Marta Salazar auf Twitter)

2 Kommentare

  1. Sollbruchstellen in Waffen ist eine der hirnlosesten Ideen die ich seit langem gelesen habe. Wie soll denn sichergestellt werden, dass das nicht im Gefecht passiert?

  2. Keine Sorge – das ist noch kein ausgereiftes Konzept, sondern ein Aufruf an die deutsche Rüstungsindustrie Neues zu entwickeln. Das Problem ist nicht der Mangel an Waffen – im Gegenteil: Davon hat die Welt zu viel – sondern an solchen Waffen, die nicht mehr Schaden anrichten als nötig.
    Ohne (scheinbar) utopische Ideen würde die Menschheit noch heute in Erdlöchern und Höhlen wohnen.

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