[Aus: „Buddhismus Heute“, Nr. 44/2007, Rubrik „Nachrichten & Hintergründe“] © Michael den Hoet / Buddhismus Heute
PEKING (BEIJING) – Die Einmischung der chinesischen Politik in einen wichtigen Bereich des Tibetischen Buddhismus ist nun auch amtlich. Für das Gebiet der Volksrepublik China, welches das chinesisch kontrollierte Tibet beinhaltet, wurde zum 1.9.2007 ein „Gesetz zur Verwaltung von Reinkarnationen Lebender Buddhas im Tibetischen Buddhismus“ erlassen. In vierzehn Paragrafen wird festgeschrieben, wie künftig das Auffinden und Einsetzen hoher Wiedergeburten des Tibetischen Buddhismus (Tulkus) vor sich zu gehen hat. Buddhistische Klöster in Tibet, die sich auf die Suche nach Kindern machen um sie als Wiedergeburten verstorbener Lamas einzusetzen, müssen demnach in Zukunft staatliche Stellen einschalten und sich die Ausrufung der jungen Tulkus absegnen lassen. „Nach Einführung der Geburtenkontrolle vor 28 Jahren gibt es in China nun auch die Wiedergeburtenkontrolle“, schrieb die ‚Berliner Zeitung’ zu den neuen Regeln.
Das Regelwerk schreibt vor, dass die offiziellen Wiedergeburten „die Prinzipien der nationalen Einheit des Staates zu respektieren und zu schützen“ hätten – eine klare Absage an etwaige Bestrebungen der Tibeter oder ihrer hohen Lamas für mehr Eigenständigkeit. Nicht von kommunistischen Staatsorganen genehmigte Tulkus würden bestraft. Einflussnahme von Stellen außerhalb des Territoriums der Volksrepublik China auf die Findung und Nominierung von Tulkus lässt das Gesetz nicht zu. Der chinesische Staat erhofft sich offensichtlich auf diese Weise langfristig die Loyalität bedeutender Klöster in Tibet zu sichern. Der Reinkarnation sehr einflussreicher Lamas müssten zukünftig gar vier Instanzen zustimmen: Das betreffende Kloster, die Lokalregierung, die Behörde für Religiöse Angelegenheiten und der Staatsrat in Peking. Offen lässt das Gesetz, ob bisher in Tibet lebende Tulkus nachträglich um eine staatliche Anerkennung nachsuchen müssen oder ob sie als „Sektenführer“ gelten.
Ein Sprecher der Tibetischen Exilregierung sagte dazu: „Diese strengen neuen Maßnahmen zielen auf das Herz der religiösen Identität der Tibeter. Sie werden allenfalls weitere Vorbehalte beim Tibetischen Volk schaffen und können sich nicht über die fehlende Legitimität der Kommunistischen Partei Chinas in religiösen Dingen hinwegtäuschen.“ Auch der US-amerikanische Kongressausschuss für internationale Religionsfreiheit äußerte starke Bedenken. Der derzeitige Dalai Lama, Idol der Tibeter weltweit und Nummer vierzehn in einer Reinkarnationsreihe, die ins 14. Jahrhundert zurückreicht, äußerte in einem Interview mit ‘Voice of America’, dass seine nächste Wiedergeburt möglicherweise auf unorthodoxe Weise im Exil bestimmt werden könne. Damit wolle er einer chinesischen Einflussnahme auf seinen Titel zuvorzukommen. Der Dalai Lama hat in der Vergangenheit wiederholt geäußert, dass er sich nach seinem Tod in einem freien Land wiedergebären lassen würde.
Chinesische Stellen hatten sich bereits 1992 in den Anerkennungsprozess der Wiedergeburt des Karmapa eingemischt. 1995 benannte die Kommunistische Führung einen damals 5 Jahre alten Jungen, Sohn eines tibetischen kommunistischen Parteimitglieds, als die offizielle Reinkarnation des 1989 verstorbenen Panchen Lama. Der Panchen Lama gilt als zweitwichtigster Lama in der religiös-politischen Hierarchie Tibets. Der dagegen von der Exilregierung in Indien zum neuen Panchen Lama ernannte Chökji Gendün Nyima ist verschollen.
Eine originelle Form des Protests gegen das absurde Gesetz wählte ein amerikanischer Buddhist, der ein langjähriger Praktizierender der Ngakpa-Richtung der Nyingma-Schule im Tibetischen Buddhismus ist – einer Linie, die einige westliche Tulkus in ihren Reihen hat. Dennis Conkin suchte das Chinesische Generalkonsulat im kalifornischen San Francisco auf mit der Bitte ihn als offizielle Inkarnation eines Tibetischen Lamas anzuerkennen.
„Ich möchte jeden dazu ermutigen, der die Buddha-Natur hat, die nächstgelegene Chinesische Botschaft oder das nächste Konsulat aufzusuchen und die Anerkennung registrieren zu lassen. Wertschätzung ist ja so wichtig für einen gesunden Sinn von Selbstachtung und Wohlbefinden.“ Er habe es bisher nicht geschafft für sich eine offizielle Tulku-Anerkennung von hohen Tibetischen Lamas zu erwirken. Und der Weg über die Chinesische Botschaft um eine solche zu bekommen sei schließlich billiger als dafür extra nach Tibet zu fahren, so Conkin.