[Aus: „Buddhismus Heute“, Nr. 44/2007, Rubrik „Nachrichten & Hintergründe“] © Michael den Hoet / Buddhismus Heute
RANGUN (YANGON) – Es sind bewegende Bilder, die Ende September die Weltöffentlichkeit erreichen. Sie kommen aus einem Land, dessen Machthaber nicht gerade für die Förderung kritischer Berichterstattung bekannt sind: Burma. Zehntausende buddhistische Mönche marschieren friedlich in der Metropole Rangun (Yangon), viele aus der Bevölkerung schließen sich an, es entwickeln sich Massendemonstrationen. Westliche Diplomaten, die sich dort aufhalten, sprechen von mindestens 130 000 Demonstranten. Doch die Führung lässt zurückschießen, es gibt Tote, das Volk weicht zurück. Was genau war und ist los in Burma, oder in Myanmar – wie die Militärführung das Land umbenannt hat?
Der Protest fing bereits Mitte August im Landesinneren an, ohne dass es zunächst im Ausland großartig bemerkt worden wäre. Ausgangspunkt für die Unruhen waren drastische Preiserhöhungen, insbesondere für Benzin und Gas, die die Regierung angeordnet hatte. Als die Demonstrationen begannen, schritten Soldaten gegen die Empörung ein. Mönche gingen dazwischen. In der Stadt Pakokku kam es zu einer gewaltsamen Konfrontation zwischen ihnen und dem Militär. Es gibt in Burma / Myanmar ca. 400 000 Ordinierte, die in dem Theravada-buddhistischen Land sehr geachtet sind. Zum Ende der Regenzeit im Spätsommer / frühen Herbst ziehen sie traditionell in großen Prozessionen durchs Land, wobei sie das Metta-Sutra rezitieren: Buddhas Appell an Mitgefühl für alle Wesen.
Diesmal aber gerieten die Umzüge zu stillen Protestmärschen. Auf ihren täglichen Almosengängen war den Mönchen die fortschreitende Verarmung der Menschen nicht entgangen. Das Pro-Kopf-Einkommen im Land beträgt 220 US-Dollar pro Jahr – weniger als ein Hundertstel dessen, was ein Deutscher zur Verfügung hat. Die Inflationsrate liegt bei 45%. Dabei ist Burma eigentlich gar nicht so arm. Rohstoffe, die insbesondere vom großen Nachbarn China gerne abgekauft werden, spülen Devisen ins Land. Doch die Einnahmen kommen nicht dort an, wo es gebraucht wird. Auf dem weltweiten Korruptionsindex von Transparency International steht Burma an letzter Stelle, zusammen mit dem Irak und Somalia. Mit Geschenken versucht das Militärregime einflussreiche Klöster an sich zu binden. Für die Hochzeit seiner Tochter gab der höchste der Generäle, der heute 74jährige (und wahrscheinlich bereits schwer kranke) Than Shwe, geschätzte 50 Millionen Dollar aus – drei Mal soviel wie die gesamten jährlichen Staatsausgaben fürs Gesundheitssystem! Auch die Verlegung der Hauptstadt – von Rangun ins versteckte Naypjidaw in der Mitte des Landes – verschlang viel Geld.
Burma erlangte 1948 seine Unabhängigkeit von der früheren Kolonialmacht Großbritannien. Bereits 1962, nur wenige Jahre nach Einführung der Demokratie, gab es den ersten Miltärputsch. Eine Wiederherstellung der Volksherrschaft fand bis heute nicht statt. Als 1988 ein Volksaufstand mit Waffengewalt niedergeschlagen wurde, kamen über 3000 Menschen ums Leben. Immerhin wurden einige Monate später Wahlen abgehalten, aus dem überraschend ein Oppositionsbündnis unter Führung von Aung San Suu Kji als klarer Sieger hervorging. Die designierte Ministerpräsidentin wurde nie in ihr Amt eingeführt: Die Generäle suspendierten die Wahl und hielten die Friedensnobelpreisträgerin des Jahres 1991 zumeist unter Hausarrest.
Die Menschen in Burma sprechen nicht gerne öffentlich über Politik. Das Volk ist nach vielen Jahrzehnten Diktatur eingeschüchtert. Überall lauern Spitzel. Und so artikulierte sich der jüngste Protest über ein stilles Symbol. Nonnen und Mönche drehten bei ihren diesjährigen Prozessionen ihre Bettelschalen um, sobald sich Soldaten ihnen näherten. Jeder verstand es: „Von euch nehmen wir nichts mehr“. So war es nur noch eine Frage der Zeit, bis eine Massenbewegung daraus werden würde. Blogger, die es schafften die Internetzensur zu unterlaufen, versorgten Pressestellen im Ausland mit Fotos, Berichten und digitalem Filmmaterial. So bekam die Weltöffentlichkeit den Beginn des Blutvergießens mit, das Ende September losbrach, als die Militärführung die Nerven verlor. Besonders die regelrechte Hinrichtung eines japanischen Fotografen, die gefilmt und in westlichen Nachrichtensendungen gezeigt wurde, warf ein sehr peinliches Licht auf das Militärregime.
Ausnahmezustand, die nächtliche Ausgangssperre und eine stärkere Kontrolle über das Internet haben seitdem dafür gesorgt, dass wieder weniger Berichte über die aktuelle Lage in Burma / Myanmar durchsickerten. Die meisten Meldungen (Stand bei Redaktionsschluss: Mitte Oktober) waren wenig ermutigend: Es kam zu einer Verhaftungswelle; Klöster, die man mit dem Aufstand in Verbindung brachte, wurden gestürmt und ihre Mönche verhaftet. Das staatliche „Sangha-Komitee“ – eine Versammlung von älteren Mönchen, die in vornehmen, von der Regierung gesponserten Tempeln leben – erklärte, dass die demonstrierenden Mönche ihre buddhistischen Vinaya-Regeln verletzt hätten und damit keine Mönche mehr wären. Das Militär wäre daher berechtigt ohne Rücksichtnahme gegen sie vorzugehen. Über die Zahl der Verhafteten oder Todesopfer gibt es bisher keine gesicherten Angaben.
Insider berichten aber auch, dass die Militärführung nicht einig ist über den zukünftigen Kurs des Landes. Die Vereinten Nationen entsandten mit dem Nigerianer Ibrahim Gambari einen erfahrenen Diplomaten als Sonderbotschafter nach Burma, wo er sowohl mit Vertretern der Militärregierung als auch mir Aung San Suu Kyi zusammentraf. Offenbar haben einige Köpfe unter den Generälen begriffen, dass es so wie bisher nicht weiter gehen kann. Die Kontrolle über die Lage wollen sie aber auch nicht aufgeben. Burma ist ein Vielvölkerstaat mit geschätzten 130 Minderheiten, die im Falle von politischen Veränderungen ihre Rechte einfordern würden. Wenn der Geist erst einmal aus der Flasche ist, könnte es im ungünstigsten Fall zu einem Bürgerkrieg kommen. Auch das benachbarte China, das Großabnehmer burmesischer Rohstoffe ist, möchte kein unruhiges Burma. Für die Zukunft des Landes dürfte viel von der Diplomatie abhängen.
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Mehr Informationen über die Lage in Burma / Myanmar auf folgenden Webseiten (jeweils in englischer Sprache):
http://english.dvb.no/index.php
http://www.irrawaddy.org/
http://www.buddhistchannel.tv/index.php?protest_situation
Website von Aung San Suu Kji: http://www.dassk.com/index.php